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Runderlass für die Zusammenarbeit zwischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern beziehungsweise Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamten und der Polizei

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Runderlass für die Zusammenarbeit zwischen
Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern beziehungsweise
Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamten und der Polizei

 

Gemeinsamer Runderlass
des Ministeriums des Innern,
des Ministeriums der Justiz und
des Ministeriums der Finanzen
432-22.57.04.20

Vom 8. Juli 2025

 

1
Vorbemerkung

Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher, im Folgenden (gegebenenfalls auch im Singular) GV genannt, sowie Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamte, im Folgenden (gegebenenfalls auch im Singular) VB genannt, sehen sich vermehrt der Problematik gegenüber, dass sich Vollstreckungsschuldnerinnen und Vollstreckungsschuldner, im Folgenden (gegebenenfalls auch im Singular) VS genannt, oder weitere an der Vollstreckungshandlung beteiligter Personen, im Folgenden (gegebenenfalls auch im Singular) wP genannt, Zwangsvollstreckungsmaßnahmen widersetzen. Insbesondere schwerwiegende Eingriffe, wie zum Beispiel Räumungen, Verhaftungen, Vorführungen, Vollzug von Durchsuchungsanordnungen, Anordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz und Entscheidungen auf Herausgabe von Personen und bei Aufträgen zur Vollstreckung wegen einer Duldung beziehungsweise eines Unterlassens können heftigen Widerstand auslösen.

 

Des Weiteren können GV und VB in den Fällen, in denen sie berechtigt sind, sich Zutritt zu Wohnräumen oder sonstigen nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen von VS zu verschaffen (beispielsweise §§ 758, 758a ZPO, § 287 AO), die Herausgabe der neuen Schlüssel an den VS außerhalb der allgemeinen Dienstzeiten aus tatsächlichen Gründen nicht selbst gewährleisten.

 

Zur Vermeidung von Gefährdungssituationen zur Durchführung von Auskunfts- und Unterstützungsersuchen (§§ 757a ZPO, 249 Absatz 3 AO) und im Interesse einer sachgerechten und reibungslosen Vollstreckung vereinbaren das Ministerium des Innern, das Ministerium der Justiz und das Ministerium der Finanzen, daher folgende Vorgehensweise:

 

2
Anfrage der GV oder VB

Zum Zwecke der Eigensicherung können GV und VB die örtlich zuständige Polizeibehörde über eine bevorstehende Zwangsvollstreckungsmaßnahme informieren und damit die Bitte um Auskunft verbinden, ob der Polizei in Bezug auf die VS oder wP folgende personenbezogene Hinweise vorliegen:
a) Bewaffnet (BEWA),

b) Gewalttätig (GEWA),

c) Ausbrecher (AUSB),

d) Ansteckungsgefahr (ANST),

e) Psychische und Verhaltensstörung (PSYV),

f) Betäubungsmittelkonsument (BTMK),

g) Freitodgefahr (FREI),

h) Explosivstoffgefahr (EXPL),

 

oder weitere gefährdungsrelevante Aspekte, zum Beispiel im Zusammenhang mit einer Zugehörigkeit zur Reichsbürger- und Selbstverwalterszene, bekannt sind.

 

Die Übermittlung personenbezogener Daten von VS und wP an die Polizei in der Anfrage erfolgt dabei in Wahrnehmung einer im öffentlichen Interesse liegenden Aufgabe der GV/VB im Sinne von § 3 Absatz 1 des Datenschutzgesetzes NRW in Verbindung mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe e) der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung). Die Anfrage ist notwendig, um zum Zwecke der Eigensicherung eine Einschätzung hinsichtlich potentieller von VS und wP ausgehender Gefahren vornehmen zu können und damit Angriffen auf die GV/VB vorzubeugen.

 

2.1
Die Anfrage ist von den GV/VB unter Verwendung des Musters 1 „Anfrage“ zu stellen. In der Anfrage sind Art und Ort der Vollstreckungshandlung sowie Name und Vorname der VS sowie wP und darüber hinaus, soweit bekannt, Angaben zur Person der VS sowie wP, wie Anschrift, Geburtsname, Geburtsdatum und Geburtsort aufzuführen, damit diese von der Polizei zweifelsfrei identifiziert werden können.

 

2.2
Die Anfrage soll rechtzeitig, aber mindestens drei Wochen vor dem Termin erfolgen. In Eilfällen ist die Anfrage an keine Frist gebunden. Eilfälle ergeben sich typischerweise bei Kindeswegnahmen und Verhaftungen, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist. Ausnahmsweise kann bei Räumungen ein Eilfall eintreten, wenn GV nach Ablauf der in Satz 1 genannten Frist Hinweise auf gefährdungsrelevante Aspekte erhalten.

 

3
Antwort der Polizei

Die zuständige Polizeibehörde überprüft daraufhin mithilfe polizeilicher Informationssysteme, ob in Bezug auf die VS sowie wP personenbezogene Hinweise vorliegen oder weitere gefährdungsrelevante Aspekte bekannt sind. Sie stellt anhand des Nationalen Waffenregisters fest, ob die VS sowie wP legal im Besitz von Waffen sind. Soweit sich staatsschutzrelevante Hinweise ergeben, erfolgt eine weitere Abfrage bei den Dienststellen des polizeilichen Staatsschutzes. Soweit zu den VS sowie wP einschlägige polizeiliche Erkenntnisse vorliegen, dient die Übermittlung dieser Erkenntnisse der Verhütung schwerwiegender Nachteile im Sinne von § 27 Absatz 2 Nummer 2 Buchstabe e) des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juli 2003 (GV. NRW. S. 441), in der jeweils geltenden Fassung, in Form von möglichen Angriffen auf Leib oder Leben der GV/VB.

 

3.1
Über das Ergebnis der Überprüfung unterrichtet die zuständige Polizeibehörde die GV/VB unter Verwendung des Musters 2 „Antwort“. Die erteilten Auskünfte sind nur zu dienstlichen Zwecken zu verwenden und dürfen vorbehaltlich der Maßgaben des § 757a Absatz 5 ZPO Dritten nicht zugänglich gemacht werden.

 

 

3.2
Liegen keine personenbezogenen Hinweise oder Informationen zu weiteren gefährdungsrelevanten Aspekten vor, wird dies ebenfalls mitgeteilt.

 

4
Ersuchen des GV oder VB

GV und VB können ein Unterstützungsersuchen (§ 757a Absätze 3, 4 ZPO) stellen, wenn
a) tatsächliche Anhaltspunkte für das Bestehen einer Gefahr vorliegen, etwa, weil
aa) personenbezogene Hinweise oder polizeiliche Informationen zu weiteren gefährdungsrelevanten Aspekten bestehen,
bb) die GV oder VB eigene Erkenntnisse in Bezug auf ein Gefährdungspotenzial haben
oder
b) sich die Gefahr aus der Art der Vollstreckungshandlung ergibt.

 

Dies gilt unabhängig davon, ob zuvor eine Anfrage nach Nummer 2 gestellt oder eine Antwort nach Nummer 3 gegeben wurde.

 

4.1
Für das Unterstützungsersuchen ist das Muster 3 „Unterstützungsersuchen“ zu verwenden. Haben GV/VB eigene Erkenntnisse in Bezug auf ein Gefährdungspotenzial der VS sowie wP, sind diese in dem Ersuchen kurz zu beschreiben. Ferner sind in dem Ersuchen möglichst viele Angaben zur Person der VS sowie wP, wie Name, Anschrift, Geburtsname und soweit bekannt Geburtsdatum sowie Geburtsort aufzuführen, damit diese von der Polizei zweifelsfrei identifiziert werden können (vergleiche Nummer 2.1).

 

4.2
Da ein möglichst frühzeitiges Ersuchen die Vorplanung und Koordinierung der Einsatzkräfte auf Seiten der Polizei erleichtert, ist ein Ersuchen grundsätzlich mindestens eine Woche vor dem Termin zu stellen. In Eilfällen ist das Ersuchen an keine Frist gebunden.

 

5
Kommunikationsweg

Die Anfrage nach Nummer 2, deren Beantwortung nach Nummer 3 und ein etwaiges Unterstützungsersuchen nach Nummer 4 erfolgen
a) auf dem elektronischen Informationsweg, soweit dieser eingerichtet und verwendbar ist,
b) ansonsten schriftlich per Post oder Fax oder
c) in Eilfällen auch telefonisch oder persönlich.

 

6
Transport in Justizvollzugsanstalt

Ein im Rahmen des Vollstreckungsverfahrens erforderlich werdender Transport der VS in eine Justizvollzugsanstalt erfolgt durch die Polizei und zwar regelmäßig in die nächstgelegene Justizvollzugsanstalt. Ein gegebenenfalls erforderlich werdender Weitertransport, beispielsweise zur Vorführung bei Gericht oder aufgrund einer Verlegung, obliegt den Justizvollzugsanstalten. Der Runderlass des Innenministers vom 2. Juli 1988 - IV A 2 – 2941 bleibt unberührt.

 

7
Hinterlegung von Schlüsseln

In den Fällen, in denen GV/VB berechtigt sind, sich Zutritt zu Wohnräumen oder sonstigen nicht zu Wohnzwecken dienenden Räumen der VS zu verschaffen, können sie den Zugang öffnen lassen.

 

Sofern wegen der Abwesenheit des VS, eines erwachsenen Familienangehörigen oder Mitbewohners der Einbau eines neuen Schlosses erforderlich geworden ist, deponieren GV/VB die neuen Schlüssel in einem verschlossenen Umschlag bei der dem Amtsgericht bzw. der Finanzbehörde nächstgelegenen, rund um die Uhr besetzten Polizeidienststelle. Diese nimmt die Schlüssel nebst einem von den GV/VB zu fertigenden Begleitschreiben (Muster 4 „Begleitschreiben an die Polizei“) entgegen und bestätigt den Empfang auf einer von den GV/VB vorbereiteten Quittung (Muster 5a „Quittung Schlüsselübergabe an Polizei“).

 

Die VS können die Schlüssel unter Vorlage eines amtlichen Lichtbildausweises oder sonstigen Legitimationsnachweises innerhalb einer vom GV/VB zu bestimmenden Frist in der entsprechenden Polizeidienststelle entgegennehmen. Die Frist darf zehn Kalendertage nicht überschreiten und ist dem VS mitzuteilen. Bei der Abholung hat der/die Berechtigte der Polizeidienststelle den Empfang der Schlüssel auf einer von den GV/VB vorbereiteten Quittung (Muster 5b „Quittung Schlüsselübergabe VS“) zu quittieren. Diese Quittung ist von der Polizeidienststelle zeitnah an den GV/VB zurückzusenden.

 

Nimmt der/die Berechtigte die Schlüssel nicht innerhalb der angegebenen Frist in der Polizeidienststelle entgegen, holen die GV/VB die Schlüssel in der Polizeiwache ab und dokumentieren den Empfang schriftlich (Muster 5c „Quittung Rückgabe Schlüssel an VB / GV“). Erscheint der/die Berechtigte nach der Übergabe der Schlüssel an die GV/VB in der Polizeiwache, wird er/sie über die Rückgabe der Schlüssel an die GV/VB informiert.

 

8
Inkrafttreten

Dieser Gemeinsame Runderlass tritt am Tag nach der Veröffentlichung in Kraft. Gleichzeitig tritt der Gemeinsame Runderlass des Ministeriums des Inneren, des Ministeriums der Justiz und des Ministeriums der Finanzen „Zusammenarbeit zwischen Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern beziehungsweise Vollziehungsbeamtinnen und Vollziehungsbeamten und der Polizei“ vom 4. Dezember 2018 (MBl. NRW. S. 704, ber. 2019 S. 11) außer Kraft.

 

MB.NRW 2025 Nr. 69.

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